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18
März
Gefangen auf dem schaurigen Schrottplatz der Gefühle
Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" erlebt mit der Musik Mendelssohn-Bartholdys seine Premiere am Staatsschauspiel Dresden

Dresden. Der schaurige Wald der Elfen, die im 16. Jahrhundert noch Kobolde und Dämonen waren, wird zum Autoschrottplatz. Damit versetzt Regisseur Kay Voges gleich im Anfangsbild einer romantischen Verklärtheit auf Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" einen Dolchstoß. Die Premiere des Dresdner Staatsschauspiels beginnt mit dem "ersten Autocrash auf Dresdner Bühnen", wie es der Regisseur ankündigte. Blutend entsteigen zwei Paare den Karossen.

Ihre Verletzungen sind mehr als ein Symbol in dieser Welt der intrigierenden Herrscher. Einzig Hermia (Charlotte Puder) versucht, sich diesem Gefüge zu widersetzen. Sie liebt nicht Demetrius (René Erler), der ihr vom Vater zugedacht ist, und lässt sich auch vom Geliebten Lysander (Marc Rißmann) nicht beherrschen .

Am kurzweiligen turbulenten Geschehen hat allen voran der Kobold Puck, des Elfenkönigs Oberon (Holger Hübner) aufmüpfiger Hofnarr, wesentlichen Anteil. Er belebt mit seinem Schabernack das Treiben. Caroline Hanke, die Intendant Holk Freytag später als den "reizendsten Puck, den er je gesehen hat" bezeichnet, beherrscht das ihr zugedachte Verwirrspiel hervorragend, tänzelt über alte Autokarossen und kommentiert das Geschehen, dass es eine wahre Freude ist. Dass die Inszenierung knapp drei Stunden dauert, ist in erster Linie Mendelssohn-Bartholdys Verdienst. Seine Musik, mit der er der 300 Jahre früher entstandenen Komödie neue Horizonte öffnet, ist dabei gar nicht so romantisch verklärend, wie es gern unterstellt wird. Das ist durchaus nicht allein der Handschrift des Generalmusikdirektors der Mittelsächsischen Philharmonie zu verdanken. Jan Michael Horstmann, der die musikalischen Fäden in der Hand hält, baut lediglich Improvisationen wie die Begleitung des Autocrashs ein, alles aber mit Noten des Altmeisters. In den durch Musik entstehenden Handlungspausen schweben die Liebespaare in Projektionen, um loszulassen. Ein Versuch, der spätestens dann misslingt, wenn die Paare am Ende wieder an der Macht teilhaben können. Ein Shakespeare-Stück funktioniert auch ohne Musik, hier aber gelingt es dem Inszenierungsteam dank der Vorliebe des Intendanten Sprache mit einer ihr zugedachten Musik zu verbinden. Das Zusammenspiel der 103 Akteure, zu denen die Dresdner Philharmonie und die als kleine Dämone verkleideten Sänger des Philharmonischen Kinderchores gehören, wird zur Meisterleistung

Als der Hochzeitsmarsch aus dem Orchestergraben ertönt, scheint der Traum der Verwirrungen, verrückt spielender Naturereignisse, scheint der Spuk vorbei. Doch das Happyend ist wieder ein Traum. Nur die Magie hat die Liebenden an die Seite des auserwählten Partners geführt. Der realistische Ausgang wäre ähnlich wie beim fast gleichzeitig entstanden Klassiker "Romeo und Julia" dramatisch. So wird das im Schlussbild entwickelte Spiel um die tragische Liebe von Pyramus (Tom Quaas) und Thisbe (Florian Beyer) von der Hochzeitsgesellschaft gar nicht ernst genommen. Lediglich das schauspielerische Unvermögen der Laien, neben Quaas hervorragend in Szene gesetzt von Schauspielstudenten, sorgt für Einwürfe und Lacher auf der Bühne, zum Nachdenken führt sie nicht.

Die Normalität, mit der die Herrscher ihre Ziele verfolgen, hat längst wieder eingesetzt. Der Traum, in dem durch uneinsichtige Mächte und zerstrittene Herrschaftspaare alles aus den Fugen geriet, verblasst. Das Theater im Theater wird zur eigentlichen Tragik. Der Zauberwald von einst ist längst ein Schrottplatz der Gefühle.



Nächste Aufführungen von "Ein Sommernachtstraum" sind am 13., 21. und 28. April, jeweils 19.30 Uhr. Kartentelefon: 0351 4913555.



Von Gabriele Fleischer

Erschienen am 17.03.2009 Freie Presse

 
 
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